Woche der Gefühls-Achterbahn
- betaullings
- 23. Aug. 2024
- 5 Min. Lesezeit

Was ist nicht alles passiert letzte Woche! Zu Anfang möchte ich jedoch betonen: man kann über die Amerikaner so Einiges sagen und zur Politik wollen wir uns nicht äussern – aber dass wir so viele zuvorkommende und hilfsbereite Amerikaner in einer Woche kennenlernen durften, hätten wir nie gedacht.😊
Aber von vorne: über Pech, Frust, Schock, Glück, Dankbarkeit, Demut – alles war dabei in der letzten Woche.
Hier die Chronologie (in Kurzfassung):
18.08.2024 / Auf dem Weg von Livingstone in Richtung Yellowstone North Entrance
Mein rechter Hinterreifen (welcher zuvor schon geflickt worden war) platzte gleich nach einer Kurve bei rund 80 km/h. Schreckmoment war bei uns Dreien von null auf hundert da. Leider funktionierte unser Highliftjack nicht so, wie er sollte. Zum Glück befand sich vis-à-vis unseres Schadenortes eine Indoor-Hanfplantage und der (etwas verpeilte) Hanfbauer kam uns gleich zu Hilfe und half rege mit, damit wir so rasch wie möglich unseren Reifen gewechselt hatten (er fuhr sogar nach Hause, um einen anderen Wagenheber zu holen). Es war heiss, fast Mittag, viel Verkehr… und so fuhren wir dann auch praktisch umgehend wieder los, nachdem der Pneu gewechselt und das Chaos am Strassenrand wieder eingeräumt war….
Grossen Dank an den „verpeilten“ Hanfbauer!!
18.08.2024 / Am Campsite Grant Village im Yellowstone Park angekommen

Wegen der Zeitverzögerung des Reifenwechsels fuhren wir auf direktem Weg zu unserem gebuchten Campsite Grant Village, welcher sich mitten im Yellowstone NP befand.
Beim Aussteigen der Schock: 2 Radschrauben fehlten! Bei genauerem Hinsehen der noch grössere Schock: die Radschrauben fehlten nicht, sondern sie waren abgebrochen (schlussendlich waren es 3 Schrauben, welche gebrochen waren, die letzte war noch nicht rausgefallen).
Wie wir so die rund 100km von der Schadenstelle zum Campsite ohne noch grösseren Schaden gefahren sind, weiss niemand. Auch äussern wir uns nicht über die Umstände, weshalb dies geschehen konnte. Fakt war, dass wir so keinen Meter weiterfahren konnten. Zusatzproblem: am Campsite keinerlei Handyempfang, um irgendwie Hilfe zu holen.
So kam unser zweiter Helfer des Tages aufs Parkett: unser direkter Campnachbar fuhr mit Berno zur Service Station und Garage von Grant Village. Berno verabredete mit den Werkstattangestellten, dass er am nächsten Morgen vorbeikäme, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob die beiden Werkstattangestellten unseren Schaden überhaupt reparieren konnten oder ob ich dann nicht schlussendlich ausserhalb des Parks in eine Garage abgeschleppt werden sollte.
Lieben Dank an unseren Campsite-Nachbarn, welcher als öV in Erscheinung trat!!
19.08.2024 / 1 Tag blockiert auf dem Campground
Am Morgen suchten Tanja und Berno zuerst die Werkstatt auf. Der Plan war, dass Ashley und Dylan (die beiden Werkstattangestellten) die entsprechenden Ersatzteile bestellen und liefern lassen würden. Um mich «auf sichere Füsse» zu stellen, bockte mich Dylan auf dem Campsite auf einen Bock auf. Zudem montierte er den Abstandshalter ab, in welchem sich die abgebrochenen Radschrauben befanden. Die vermeintlich richtigen Radschrauben und Radmuttern wurden durch Ashley bestellt. Wann die genau geliefert werden sollten, wussten wir nicht. Bis zum 21.08.2024 hatten wir jedoch sowieso den Campsite gebucht – somit konnte ich auch noch 2 Tage aufgebockt auf dem Site stehen bleiben.
Aber: Tanja und Berno reisten in den Yellowstone NP, weil dieser viel zu bieten hat und sie diese Naturschönheiten geniessen und erleben wollten. Somit kam tagsüber, als sie am Yellowstone Lake entlang spazierten, die Idee auf, mit einem Mietwagen den Park zu erkundigen, solange ich nicht fahrtüchtig bin. Aber wie kommt man an einen Mietwagen, mitten in einem riesigen Nationalpark und die Verleihfirmen befinden sich 70km (West Yellowstone) oder 120km (Jackson) entfernt? Die Lösung hierzu fiel ihnen quasi in den «Schoss» (oder war es Zufall, wenn es überhaupt Zufälle gibt?)
Am Abend hatten Tanja und Berno das Abendessen im Restaurant gebucht, welches rund 1.5km vom Campsite entfernt lag und welches sie somit zu Fuss erreichen mussten. Auf halbem Weg ins Restaurant befand sich ausserdem die Dusche. Um den Schrittzähler nicht zu überlasten 😊 gingen die Beiden auf dem Weg ins Restaurant zuerst duschen und nahmen die Dreckswäsche, Duschmittel und die nassen Badetücher dann gleich mit ins Restaurant (das 1. Mal in ihrem Leben): 2 Fliegen auf einem Schlag 😊
Zurück zur Lösung: sie genehmigten sich einen Apero an der Bar des Restaurants und kamen mit 2 älteren amerikanischen Pärchen ins Gespräch. Irgendwann erfuhren Tanja und Berno, dass diese Pärchen in unmittelbarer Nähe von uns ihr Zelt und Camper aufgestellt hatten und sie mich aufgebockt gesehen hatten. Sie erwähnten im Gespräch, dass sie am nächsten Tag Richtung Jackson fahren würden.
Tanja und Berno bekamen sogleich riesige Elefantenohren: Jackson – Mietwagen – ihre Chance!! Berno, so offen und direkt er ist, fragte dann sogleich nach, ob er und Tanja gegebenenfalls, möglicherweise, wenn es keine Umstände macht, allenfalls bis Jackson mitfahren dürften, um dort ein Auto mieten zu können. Alle 4 Amerikaner waren vollends begeistert, Tanja und Berno so behilflich sein zu können. Es wurde sogleich für den nächsten Morgen die Abfahrtszeit abgemacht – nun müsste sich dann nur noch ein Mietwagen in Jackson finden lassen…
Dann, auf dem Fussmarsch zurück zu mir (wiederum 1.5km) machte Tanja etwas, was sie in ihrem ganzen Leben noch nie gemacht hat: Autostopp! Nach rund 10 Fahrzeugen hielt ein flotter zuvorkommender Amerikaner, welcher die Beiden bis zu mir zum Campsite gefahren hatte. Dies, obwohl sich sein Campsite auf der anderen Seite des ganzen Campingplatzes befunden hatte.
Lieben Dank an den Privatchauffeur von Tanja und Berno!!
20.08.2024 / Mietwagen in Jackson geholt
Die Abmachung vom Vorabend glückte und Tanja und Berno fuhren rund 2 Stunden mit Ann-Mareen und ihrem Mann nach Jackson (im «Wohnzimmer» des kleinen Campers, ohne «seat belt», wie ihnen am Abend zuvor schon angedeutet wurde). Im Konvoi fuhren deren Freunde in einem separaten Fahrzeug. Tanja und Berno wurden am Flughafen abgesetzt und hatten innert 5 Minuten einen tollen Pick-up (Toyota Tacoma). Der Mietwagenangestellte verlangte lediglich eine Kreditkarte und Führerausweis, fragte nach der Mietlänge und nach der gewünschten Kategorie. Keine Fragen über Zusatzlenker, keine Fragen über Zusatzversicherungen, keine Dutzenden Formulare, keine Unterschriften. Sowas in Amerika???
Lieben Dank an Ann-Mareen und ihren Mann, welchen uns den Mietwagenplan erfolgreich hatten umsetzen lassen!
Nach einem Lunch in Jackson und 120km Rückfahrt nach Grant Village: Update von Dylan aus der Werkstatt, dass er die richtigen Schrauben voraussichtlich am 21.08.2024 erhalten würde. Da unser Campsite nur bis zum 21.08.2024 reserviert war und es nun klar war, dass ich in der Garage repariert werden würde, wurde abgemacht, dass wir am 21.08.2024 die rund 1.5km mit den bestehenden Schrauben (welche Dylan fest angezogen hatte) zur Garage fahren und auf dem Garagenareal übernachten können.
21.08.2024 / Ich in der Garage, Tanja und Berno auf Entdeckungstour
Wie abgemacht stellten mich Tanja und Berno bei Dylan vor der Werkstatt ab. Die Fahrt dorthin fühlte sich für uns mit nur 3 Radschrauben etwas unsicher an. Wenn aber Dylan und Ashley bestätigen, dass wir die rund 1.5km fahren dürfen/können, dann glauben wir dies. Tanja und Berno überliessen mich den fachkundigen Händen von Dylan und genossen ihren Ausflug quer durch den Yellowstone Park. Details hierzu in einem separaten Blog.
Dylan konnte tagsüber die abgebrochenen Schrauben erfolgreich aus dem Abstandshalter drücken und die neuen Schrauben montieren. Die ihm zugeschickten Radmuttern waren leider zu kurz, weshalb er andere bestellen musste, die am 22.08.2024 geliefert werden sollten.
Wir übernachteten diese Nacht auf dem Gelände der Garage. Nicht gerade idyllisch, dafür ohne störende Generatoren von Campnachbarn
22.08.2024 / Ich wieder gesund – es geht weiter
Tanja und Berno erkundeten am Morgen erneut den Park. Über Mittag konnte Dylan schlussendlich die richtigen Radmuttern montieren und ich war wieder fahrtüchtig.
Nun werden in Jackson noch meine Reifen und in Bozeman meine Bremsscheiben ausgewechselt (unabhängig vom Reifenthema) und dann bin ich wieder «wie neu».

Grossen, riesigen Dank an Ashley und Dylan, welche unsere "Retter der Stunde" waren. Welche sich zwischen anderen Reparaturen, Abschleppen von Unfallfahrzeugen und weiterer unvorhersehbaren Schäden anderer Fahrzeuge die Zeit genommen haben, uns so rasch wie möglich zu helfen und mich zu reparieren.
Thank you guys – you did a really great job!!
… aber: jetzt darf wieder etwas «Ruhe einkehren»
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